Viele Bauherren schätzen den Service aus einer Hand und bauen deshalb mit einem Systembauunternehmen. Wie das funktioniert und welche Vorteile das hat.
Seit Beginn der Corona-Pandemie kann der Bau des eigenen Hauses noch
mehr Zeit und Nerven in Anspruch nehmen, als das zuvor schon der Fall
war. Denn die Störung der Lieferketten und die daraus resultierende
Materialknappheit haben die Preise für Baustoffe wie Holz, Stahl, Glas
oder Dämmung rasant steigen lassen. Hinzu kommen die üblichen Probleme:
Termine werden nicht eingehalten, einzelne Teile nicht korrekt verbaut,
der Budgetrahmen wird überschritten. Wie soll man sich dagegen schützen?
Hier setzen die Systembaufirmen an: Zahlreiche Bauherren schätzen die
Möglichkeit, ihr Haus mit Hilfe eines Anbieters zu bauen, der das
künftige Eigenheim zu einem fixen Preis und oft auch zu einem festen
Termin errichtet. Beides wird dann in einem Vertrag verbindlich
geregelt, dessen Details jedoch gründlich geprüft werden müssen.
Individuelle Architektur
Bei den Begriffen
Systembau oder Fertighaus haben viele Bauaspiranten Bedenken, ob diese
Art des Bauens nicht auf Kosten der Individualität geht. Bekomme ich
dann nicht das berühmt-berüchtigte «Haus von der Stange»?
Informationsquellen wie das Portal www.hausinfo.ch der
Gebäudeversicherung Bern und des Hauseigentümer-Verbands hauen immer
noch in diese Kerbe. Ein Systemhaus biete «Sicherheiten, die mit einer
limitierten Auswahlmöglichkeit verbunden sind. Der Bauherr entscheidet
sich für ein Musterhaus, das durchaus individualisierbar ist. Das
Wunschprogramm beschränkt sich aber meistens auf Grundrissgrösse, Anzahl
der Räume und Budget. Einzig der Innenausbau erfolgt bisweilen
individuell.»
Vorurteile
Die Befürchtung, beim
Systembauer stets mit vorkonfektionierten Entwürfen abgespeist zu
werden, ist längst obsolet. Denn egal, ob Fertighäuser in Holzbauweise
oder Massivhäuser vom General- oder Totalunternehmer – zahlreiche
Systembaufirmen bieten zwar Haustypen zur Orientierung an, legen aber
Wert auf die Feststellung, dass alle Kundenhäuser letztlich Unikate
sind. Firmeneigene oder externe Architekten sind in den Planungsprozess
integriert, sodass alle Wünsche Berücksichtigung finden können. Aber
auch Interessenten, die auf die eigene Planung mit einem Architekten
ihrer Wahl nicht verzichten möchten, können sich mit fertigen Plänen zur
Umsetzung an einen Hausanbieter wenden.
Sparpotenzial durch Standardisierung
Wer
der Ansicht ist, dass das Rad beim Hausbau nicht jedes Mal neu erfunden
werden muss, kann preislich durchaus von der Standardisierung im
Systembau profitieren. So hat die Firma Idealbau ein Modulhauskonzept
entwickelt, bei dem Bauherren den Basisbaukörper aus acht Modulen
beliebig um weitere Einheiten à 1,22 Meter Breite und 7,42 Meter Länge
erweitern können. Auch für die Form des Daches, den Innenausbau oder
allfällige Nebenbauten gibt es eine Auswahl an Vorschlägen, aus denen
die Kunden die ihnen zusagende Variante wählen. Eine interessante
Alternative zur freien Planung.
Stilistische Vielfalt
In Sachen Architektur
wartet der Systembau mit einer imponierenden Vielfalt auf: Vom Landhaus
im traditionellen Stil über das klassische Einfamilienhaus bis hin zur
repräsentativen Stadtvilla in moderner Geradlinigkeit gibt es die
unterschiedlichsten Entwürfe. Schon seit einigen Jahren dominiert
insgesamt ein kühl-moderner Stil mit Flachdach, der sich an der
Bauhausarchitektur orientiert, die Szene. Die Corona-Pandemie und der
russische Angriff auf die Ukraine und die damit verbundene
wirtschaftliche und gesellschaftliche Verunsicherung könnten eine
Trendwende einläuten. So spricht Wolfgang Weber, Geschäftsführer beim
Fertighaushersteller Weber Haus, im Zusammenhang mit dem neuen
Ausstellungshaus des Unternehmens von einer «Renaissance der
Gemütlichkeit». Hauskäufer erwarteten «Rückzug und Erholung» von ihrem
neuen Zuhause. Das neue Weber Haus möchte diesen Wünschen entgegenkommen
und stellt mit Walmdach, Sprossenfenstern und Anbauten eine
Interpretation des Landhauses dar. Im Innern bestimmen kräftige
Holzoberflächen und Pastelltöne das Ambiente.
Auch aktuelle
gesellschaftliche Trends werden im Systembau berücksichtigt. So haben
einige Hausanbieter Bungalows im Portfolio, die barrierefreies Wohnen
und Leben auf einer Ebene bis ins hohe Alter ermöglichen. Auch Klein-
und Kleinsthäuser lassen sich realisieren. So bietet zum Beispiel
Schwörerhaus mit seinem Programm «FlyingSpaces» im Werk vorgefertigte
Einheiten an, auf Wunsch komplett ausgestattet und möbliert, die sich
auf dem Tieflader transportieren lassen und dann mit einem Kran vor Ort
auf das Fundament gesetzt werden. Auch Huf Haus hat so ein «Tiny House»
entwickelt und betont dabei, dass bei den kleinen Häusern an der
Bauqualität keine Abstriche vorgenommen werden. «Hochwirksame
Aussenwände, eine Dreifach-Isolierverglasung sowie ein wärmegedämmtes
Flachdach sorgen in Kombination mit einer Lüftungs- bzw. Klimaanlage für
angenehme Temperaturen und eine optimale Raumluftqualität», erklärt
Benedikt Huf, geschäftsführender Gesellschafter von Huf Haus. Diese
Mini-Einheiten können flexibel eingesetzt werden, als Homeoffice, für
Gäste, als Anbau mit Anbindung ans Haupthaus oder als autarke Einheit
für eine Einlieger- oder Ferienwohnung. Sie können auch einfach auf ein
bestehendes Flachdach aufgesetzt werden.
Grossprojekte und Erweiterungen
Wenn das Bauobjekt ein bisschen grösser sein soll: Auch Mehr-Generationen-Häuser für Grossfamilien oder Wohngemeinschaften lassen sich mit Systembaufirmen realisieren. Viele Anbieter haben darüber hinaus auch das Geschäftsfeld Anbauten und Aufstockungen erschlossen. Angesichts der Tendenz zum Nachverdichten von Quartieren hat dieser Tätigkeitsbereich eine grosse Bedeutung erlangt. Viele Bauherren, die ein älteres Haus kaufen, sind zunächst skeptisch, ob sich damit alle Wohnwünsche umsetzen lassen. Mit einer Erweiterung nach oben bzw. zur Seite ergeben sich hier jedoch sehr gute Möglichkeiten und Chancen. Besonders bei Aufstockungen kann der Holzbau wegen des relativ geringen Gewichts der Konstruktionen seine Vorteile ausspielen. Aufgrund der prekären Grundstückssituation sind viele Systembaufirmen inzwischen auch im Bereich Eigentumswohnungen aktiv.
Umfassender Service
Im Vergleich zum klassisch frei geplanten Architektenhaus hat der Systembau über die bereits erwähnte Termin- und Preisgarantie hinaus weitere Vorteile. Bauherren erhalten auf Wunsch alle Leistungen aus einer Hand und haben es nur mit einem Ansprech- und Vertragspartner zu tun, auch wenn der Haushersteller oder Generalunternehmer einen Subunternehmer mit der Ausführung von Teilleistungen beauftragt. Beispiel Planung: Der Hausanbieter liefert nicht nur Grundrisse und Ansichten, er kümmert sich auch um die Baugenehmigung und bietet teilweise auch Unterstützung bei der Finanzierung an. Auch bei der Grundstückssuche sind viele Firmen behilflich. Manche Firmen bieten als Projektentwickler Haus und Grund als Gesamtpaket an, um der Grundstücksknappheit zu begegnen.
Überhaupt ist der Service sehr umfassend: Im Sinne einer ganzheitlichen Betreuung können Bauherren auch ihren Keller und die Innenausstattung von Hausanbieter erhalten. Huf Haus übernimmt über die Tochterfirma Gartenart auch die Gestaltung des Gartens. Das hat grosse Vorteile. Nicht nur wird der Bauprozess einfacher. Auch bei der Gewährleistung sind Bauherren auf der sicheren Seite. Wer etwa einen Keller unabhängig vom Hausanbieter erstellen lässt, ist auch dafür verantwortlich, dass das Haus wie geplant darauf passt. Kommen Keller und Haus aus einer Hand, hat der Hausanbieter für exakte Passgenauigkeit zu sorgen.
Beratung fürs Wohnen
Auch bei der Innenausstattung
unterstützen Systembauer ihre Kunden. Viele Firmen, vor allem des
Holzfertigbaus, verfügen über ein eigenes Bemusterungszentrum am
Stammsitz, in das sie die Kunden für ein oder zwei Tage einladen. Dort
können sie in Ruhe entscheiden, welcher Bodenbelag, welche Badewanne
oder welche Kücheneinrichtung es sein soll. Auch hier wird
Individualität grossgeschrieben. So fertigt zum Beispiel Schwörerhaus in
seiner Design-Schreinerei Möbel und Einbauten nach Mass. Huf Haus hat
auch für diesen Bereich eine eigene Tochterfirma, Stilart, gegründet,
die sich darum kümmert, dass die Innenausstattung zur Architektur passt.
Systembaufirmen
betonen die Qualität ihrer Häuser. Manche Anbieter lassen die Qualität
ihrer Prozesse und Produkte zum Beispiel durch jährliche Audits der
Schweizerischen Vereinigung für Qualitäts- und Management-Systeme (SQS)
zertifizieren. Auch die Mitgliedschaft in der im Schweizerischen Verband
für geprüfte Qualitätshäuser VGQ oder der Gütegemeinschaft Deutscher
Fertigbau sind Zeichen des Qualitätsbewusstseins von Unternehmen. Bei
der Holzbauweise werden grosse Wand-, Decken- und Dachteile zu einem
hohen Grad im Werk vorgefertigt – samt Dämmung, Fenster, Türen und
Fassade. Das erlaubt eine wetterunabhängige Produktion der Teile.
Qualitätsbewusstsein zeigen die Systembaufirmen auch bei der Auswahl der
ausführenden Betriebe. Hier kommen nicht automatisch die günstigsten
Anbieter zum Zug, sondern eher verlässliche und qualitätsbewusste
Handwerker, die meist in der Region verankert sind.
Smarte Haustechnik
Im
Hinblick auf Energieeffizienz begnügen sich viele Firmen nicht damit,
die Mindestanforderungen einzuhalten, sondern übertreffen diese oft. Auf
Wunsch bauen die Hausanbieter auch Häuser nach den verschiedenen
Minergie-Standards. Auf Grund der gedämmten und winddichten Bauweisen
bleibt in der Regel nur ein geringer Energiebedarf für Heizung und
Warmwasser übrig, der mit modernen Komponenten wie Wärmepumpen oder
Pelletheizungen in Verbindung mit einer Photovoltaik- oder
Solarthermieanlage effizient und nachhaltig bestritten werden kann.
Fortschrittlich präsentieren sich viele Systembauer auch in Sachen
Smarthome. Je nach Grösse des Hauses und je nach individuellen
Bedürfnissen können Kunden aus verschiedenen Möglichkeiten und Lösungen
wählen. Von der funkbasierten Lösung mit verschiedenen Funktionen bis
hin zur kompletten Hausautomation mit einem Netz an Datenleitungen.
Zahlreiche Firmen bieten Basisinstallationen an, die dann je nach Bedarf
und Budget beliebig ausgebaut werden können.
Einige Unternehmen
achten in besonderem Masse auf baubiologische Qualität und
Wohngesundheit. So hat zum Beispiel die Firma Baufritz schon vor Jahren
ein allergikergerechtes Haus entworfen. Alle Baustoffe und Materialien
wie Kleber, Spachtel oder Farben unterzieht das Allgäuer Unternehmen
einer strengen baubiologischen Kontrolle. Ein paar Wochen nach dem
Einzug der Bauherren finden nochmals Kontrollmessungen statt, um die
Emissionsfreiheit der Raumluft zu gewährleisten. Die Firma Schwörer Haus
arbeitet seit einigen Jahren mit dem Sentinel-Haus-Institut zusammen,
um die Wohngesundheit der Eigenheime mit Nachweis sicherzustellen.
Aufwändige Kundenpflege
Die
Betreuung der Kunden von der Planung bis zur Schlüsselabgabe gehört zum
Markenkern des Systembaus. Die Firmen legen ihr Engagement darin, sich
als verlässlicher Baupartner zu erweisen. Denn nichts ist abträglicher,
als mit negativem Kunden-Feedback auf sich aufmerksam zu machen – zumal
in Zeiten von Social Media.
Viele Bauherren legen Wert darauf,
Häuser im Voraus im Massstab 1:1 betrachten zu können. Daher halten
manche Hausanbieter am Unternehmenssitz eine gewisse Anzahl an
Musterhäusern vor. Sie zeigen zum einen die stilistische Vielfalt, die
ein Systembauer zu bieten hat. Zum anderen eignen sie sich als
Inspiration, sodass Interessierte Ideen aus verschiedenen Häusern zu
ihrem ganz persönlichen Traumhaus kombinieren können. In der Home Expo
in Suhr/AG besteht sogar die Möglichkeit, Häuser mehrerer Hersteller am
selben Ort zu besichtigen. Auch bereits bewohnte
Kundenhäuser dienen den Hausbaufirmen als authentische
Anschauungsobjekte.
Ob man lieber mit einem Architekten baut oder
mit einem Systembauer ist keine Glaubensfrage, sondern eine
Entscheidung, die aus mehreren Gründen sachlich getroffen werden sollte.
Im Übrigen ist festzuhalten, dass der Hausbau mit dem Architekten und
dem Systembauer eines gemeinsam hat: Änderungen des Grundrisses oder an
der Ausstattung während der Bauphase sollten unbedingt vermieden werden,
denn die gehen richtig ins Geld.
Text: Joachim Hoffmann
aus: Das Einfamilienhaus, Heft Nr. 4/2022