Teamwork mit Weitsicht

Kaizen heisst eine japanische Philosophie, an der sich Beat und Urs Wullschleger orientieren. Die Brüder führen das Innerschweizer Familienunternehmen Schmidlin in dritter Generation. Die Firma fertigt seit 75 Jahren Bade- und Duschwannen aus Stahl-Email.

Beat und Urs Wullschleger führen das Familienunternehmen am Fuss der Rigi in der dritten Generation.
Beat und Urs Wullschleger führen das Familienunternehmen am Fuss der Rigi in der dritten Generation.

Hell und aufgeräumt sieht es in der grossen Ausstellung aus, in der Duschwannen, Badewannen, Waschbecken und Küchenrückwände in allen Formen und Grössen präsentiert werden. Kein Zweifel: Die Firma Wilhelm Schmidlin AG, die vor 75 Jahren in Oberarth am Fuss der Rigi gegründet wurde, ist ein modernes Unternehmen. Bis heute ist Schmidlin die erste und einzige Stahlbadewannenfabrik der Schweiz.

Auf Erfolgskurs
Die zwei Geschäftsführer Beat und Urs Wullschleger haben den Lead 2007 von ihren Eltern übernommen und sind seither auf Erfolgskurs. Getrieben sind sie dabei nicht nur von ihrer eigenen Motivation, sondern auch vom Wissen um die Tradition des Unternehmens. Die Techniken und Abläufe für die Herstellung der Waschbecken, Duschflächen, Dusch- und Badewannen sowie für die farbigen Küchenrückwände wurden in den letzten Jahrzehnten stetig weiterentwickelt. Die Produkte sind aus hochwertigem Titanstahl gefertigt und werden durch den Prozess des Emaillierens veredelt.

Beide Brüder können sich bestens erinnern, wie sie als Kinder und Jugendliche jeweils in den Ferien in der Fabrik arbeiteten und hier ihr erstes Geld verdienten. Beat Wullschleger, mit Jahrgang 1975 der Jüngere der beiden, half der Grossmutter als Dreikäsehoch beim Verpacken von Werbebroschüren in Couverts und klebte die Adressen auf. Währenddessen durfte der sechs Jahre ältere Urs Wullschleger bereits in der Werkstatt mit anpacken. «Es war damals eher dunkel, es roch nach Öl, und immer war es laut, wenn die Arbeiter das Blech mit Hämmern bearbeiteten», erzählt er.

Alles «Swiss Made»
Gegründet hatte das Unternehmen ihr Grossvater Wilhelm Schmidlin im Jahr 1947. Seither produziert die Firma nach wie vor am gleichen Standort im Kanton Schwyz. Alles ist «Swiss Made» und wird von hier aus in die Welt vertrieben. Urs und Beat Wullschlegers Mutter Margrit übernahm nach dem Tod des Grossvaters die Führung des Familienbetriebes 1986 zusammen mit ihrem Mann Eduard. Die Eltern führten neue Roboter- und Fördertechniken ein, und die Automatisierung wurde vorangetrieben. «Unsere Mutter spielte eine entscheidende Rolle in der Unternehmensgeschichte», so Beat und Urs Wullschleger. Der Grossvater hatte sie 1960 als Werkstudentin in die Bayer-Werke nach Leverkusen geschickt, wo sie das Emaillieren erlernte und den Prozess zu Hause in der Firma etablierte. Heute ist Margrit Wullschleger Ehrenpräsidentin des Verwaltungsrates der Wilhelm Schmidlin AG; ihr Mann ist mittlerweile verstorben.

Wachstumsmarkt USA
«Für mich war es immer eher eine theoretische Option, einmal ins Unternehmen einzusteigen – lange Zeit konnte ich mir das nicht konkret vorstellen. Die Eltern haben keinen Druck für die Nachfolgeregelung gemacht», sagt Beat Wullschleger. Wie sein Bruder Urs studierte er an der ETH Zürich Maschinenbau und vertiefte sein Wissen anschliessend im Bereich Betriebs- und Produktionswissenschaften. «Ich hätte nie gedacht, dass ich je zurück in die Innerschweiz ziehen würde», ergänzt Urs Wullschleger. Heute wohnen beide mit ihren Familien in Fuss- beziehungsweise Velodistanz zur Firma.

Die Brüder haben heute eine klare Arbeitsteilung: Beat Wullschleger ist für Marketing, Verkauf, Produktmanagement, Finanzen und Personal zuständig. Urs Wullschleger verantwortet Produktion, Entwicklung und Logistik. Zudem ist er für den US-Markt zuständig, während sein Bruder die Schweiz und die europäischen Märkte betreut. Die USA sehen beide als Wachstumsmarkt mit viel Potenzial für die Qualitätsprodukte aus der Schweiz.

Komplexe Logistik
Die beiden sind sich einig: «Wichtig ist für uns eine gesunde Balance zwischen Standardprodukten und Massanfertigungen.» Bei der Herstellung auf Mass – individuell für jeden Kunden – müssen sie ebenfalls kurze Lieferfristen garantieren können, um konkurrenzfähig zu sein. «Eine gleichmässige Auslastung der Produktion zu erreichen, ist eine grosse Herausforderung.» Dazu kommt die Logistik, die je nach Zielland und Zeitplan sehr komplex ist. Urs Wullschleger erzählt von einem Auftrag für die Produktion und Lieferung von 120 Badewannen in den Grossraum von New York. In nur sechs Wochen sollten die Wannen in Übersee sein, um montiert zu werden. Das bedeutet, dass die Produktion in einer einzigen Woche zu erfolgen hat,
denn das Überschiffen nimmt fünf Wochen in Anspruch.

Das Team redet mit

Die Firma Schmidlin beschäftigt 95 Mitarbeitende – von der Entwicklung übers Marketing, die Produktion bis zum Vertrieb. Urs und Beat Wullschleger nehmen sich jeden Dienstagnachmittag Zeit für einen mehrstündigen Austausch als Geschäftsleiter. «Wir haben auch unsere kleinen Konflikte», räumen sie ein, betonen aber, dass sie gegenseitig von ihren Erfahrungen und Ideen profitieren. «Kritische Fragen bringen uns weiter.» Die Strategieplanung bleibt aber nicht allein den Geschäftsführern vorbehalten. Sie beziehen das Team mit ein. Dafür investiert die Firma zehn Prozent der Arbeitszeit, wie die Brüder erzählen: «Alle zwei Wochen nehmen sich unsere Mitarbeitenden Zeit, um einzelne Prozesse in Gruppen zu analysieren und zu optimieren.» Als Leitlinie dient die japanische Kaizen-Philosophie, die als kontinuierliches Hinterfragen und Verbessern der Produktionsprozesse verstanden wird.

Optimierte Fehlerkultur
Seit zehn Jahren wird Kaizen im Unternehmen in Oberarth praktiziert. «Die Ergebnisse sind unmittelbar fassbar», erzählt Beat Wullschleger. «Durch Kaizen werden vor Ort die Abläufe angepasst. Manchmal bringen einfache Massnahmen sehr viel.» Urs Wullschleger ergänzt, dass damit zusammenhängend die Fehlerkultur verbessert wurde: «Uns ist es wichtig, dass Fehler auf den Tisch kommen, um daraus zu lernen. Es geht nicht um Schuldzuweisungen an einzelne Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter, sondern darum, Prozesse anzupassen und stabiler zu machen, um künftige Fehler zu verhindern.»

Heute lachen die beiden Brüder, wenn sie sich an ihr ETH-Studium erinnern. Bereits dort sei die Kaizen-Philosophie ein Thema gewesen, erzählen sie. Was damals noch graue Theorie war, hat sich in ihrem Alltag bewährt, und das ganze Team macht mit. Kundinnen und Kunden der Firma Schmidlin brauchen sich allerdings nicht zu sorgen: Das Telefon wird – trotz Kaizen – zu den normalen Bürozeiten stets beantwortet.

Wilhelm Schmidlin AG
6414 Oberarth

Text: Rebekka Haefeli, Fotos: Gaëtan Bally
aus: Das Einfamilienhaus, Heft Nr. 1/2023

Artikel teilen

Datenschutzhinweis

Diese Webseite nutzt externe Komponenten, welche dazu genutzt werden können, Daten über Ihr Verhalten zu sammeln.

Notwendige Cookies werden immer geladen